Lerne die 5 Ebenen psychologischer Sicherheit kennen.
Der Begriff psychologische Sicherheit ploppt in den vergangenen Monaten immer wieder in meiner Timeline auf. Sich im Arbeitskontext so sicher fühlen, dass wir uns trauen, über Fehler zu sprechen, Nichtwissen zu äußern und auch unangenehme Kritikpunkte aussprechen können. Amy Edmundson hat dazu viel geforscht und vor ein paar Jahren das Buch “Die angstfreie Organisation” veröffentlicht.
Das Thema rennt bei mir quasi offene Türen ein. Weil ich es für essentiell halte, dass wir gesund arbeiten können. Gerade in Zeiten, in denen so vieles im Umbruch ist und dadurch unsicher wirkt, ist es wichtig, in möglichst vielen Bereichen unseres Lebens Sicherheit herstellen und erhalten zu können.
Ich wollte rausfinden, wie wir das in unserem Alltag bewerkstelligen können. Also habe ich mich durch Bücher, Artikel und Podcasts gegraben. Und hier habe ich dir jetzt 5 Ebenen zusammengestellt, auf denen du individuell und konkret etwas zur psychologischen Sicherheit in deinem Umfeld beitragen kannst. Die ersten drei Ebenen kannst du unabhängig von deiner Rolle in deiner Organisation beeinflussen!
Die Ebene, mit der alles beginnt… Die Ebene in dir.
Psychologische Sicherheit in Bezug auf dich selbst. Wie sicher fühlst du dich mit dir selbst?
Du wünscht dir von deinem Umfeld beispielsweise einen positiven Umgang mit Fehlern?
Wie gehst du denn mit dir selbst um, wenn du einen Fehler machst? Welche Sätze sagst du dir dann in deinem Kopf?
Darfst du Fragen stellen, Schwäche zeigen und Ideen anderer in Frage stellen?
Wie viel Selbstmitgefühl hast du dir selbst gegenüber?
Wenn du hart du dir bist und dich selbst verurteilst, ist die Wahrscheinlichkeit sehr groß, dass du das auch ins Außen transportierst.
Mein Impuls für dich
Achte in den kommenden Tagen mal auf deinen inneren Dialog. Bist du zu selbstkritisch mit dir? Ersetze diese Kritik durch Neugier: “Warum ist das so schwer für mich?” anstatt “Boah, warum bin ich zu doof dafür und kriege das nie hin?!”. Erlaube dir den Lernprozess und schaue, was du aus der Situation lernen kannst.
Psychologische Sicherheit auf der Ebene des Individuums
Dein Hebel? Wie du anderen Menschen begegnest!
Menschen spüren, ob sie sich bei dir zeigen dürfen. Oder ob sie lieber ihre Tough-Maske aufbehalten. Woran das liegt? Hm… einerseits sicherlich an einer Art Intuition. Aber eben auch daran, wie du dich im Alltag gibst.
Wie redest du im Alltag über Situationen, die nicht so gelaufen sind, wie du dir das vorgestellt hast? War alles Sch**e? Waren alle anderen Idioten, die ihren Job nicht können? Oder ist es eher ein „Fehler passieren. Lasst uns schauen, woran es gelegen hat und was wir verändern können!“
Auf den Punkt gebracht: Wie sehr wertest du andere und auch dich selbst in alltäglichen Situationen ab? Das wirkt über die jeweilige Situation hinaus.
Ich glaube sogar, dass es eine Außenwirkung hat, wenn wir so nur innerlich über uns und andere denken. Es ist die Haltung, die entscheidet. Mit welcher Haltung begegnest du Menschen?
Was du konkret machen kannst:
Begegne Menschen so offen, wie es dir möglich ist. Wir alle haben Gründe, warum wir so handeln, wie wir handeln. Versuche, diese Gründe herauszufinden, bevor du urteilst.
Höre anderen zu, ohne Ratschläge zu geben. Frage vielleicht lieber, was dein Gegenüber von dir braucht. Du kennst das vielleicht selbst: Manchmal willst du die Meinung einer anderen Person hören und ein anderes Mal willst du etwas Dampf ablassen.
Frage dein Gegenüber öfter: “Wie hast du das erlebt?” Und höre urteilsfrei die Erlebnisse der anderen Person.
Psychologische Sicherheit in deinem Team
In der Zusammenarbeit mit Teams zeigt sich psychologische Sicherheit sehr deutlich. Oder eben auch nicht.
Wer hat welchen Redeanteil? Leitet immer die Führungskraft die Meetings? Wer redet mit wem? Wer schweigt? Wer unterbricht wen?
Auch hier der Impuls, dass einfach in der nächsten Zeit erst mal zu beobachten.
Ein sicheres Team ist nicht das Team, in dem immer Harmonie besteht. In einem sicheren Team kann offen gesprochen werden. Gerade auch, wenn’s unbequem wird!
Ob in einem Team eine psychologisch sichere Basis vorliegt, merkt man schnell, wenn eine Person die Führungskraft kritisiert oder ein Fehler entdeckt bzw. offengelegt wird. Wie reagiert die Führungskraft? Wie reagieren die anderen im Team?
Psychologische Sicherheit liegt vor, wenn Teammitglieder einander ausreden lassen, an der Ansicht und Meinung anderer interessiert sind und andere Herangehensweisen und Meinungen respektieren.
Hier noch drei Impulse für dich und dein Team:
Frag im nächsten Meeting aktiv nach der Meinung anderer oder, ob du etwas übersehen hast und es noch andere Ideen gibt
Bedanke dich bei Menschen, die den Finger in die Wunde legen und deine Idee kritisch hinterfragen
Mache Fehler transparent. Deine eigenen und ermutige auch andere ihre Fehler transparent zu machen. Das hilft auch anderen, solche Fehler zu vermeiden.
Psychologische Sicherheit auf Leadership-Ebene
Vermutlich hast du es selbst schon erlebt. Den Einfluss deiner Führungskraft. Im Guten und im Schlechten.
Als Führungskraft hast du einen enormen Einfluss auf die Menschen in deinem Team und auf die Unternehmenskultur. Dein Verhalten wird gelesen, interpretiert und antizipiert. Gerade dann, wenn du nichts sagst.
- Als Führungskraft psychologische Sicherheit zu fördern bedeutet nicht, dass du immer nett sein musst und Konflikte vermeiden musst. Du förderst psychologische Sicherheit u.a. dadurch, dass du menschlich bist. Das wirst du, indem du zum Beispiel auch über deine Unsicherheiten sprichst. Bewusst und dosiert. Stelle Fragen, wenn du etwas nicht verstehst oder nicht nachvollziehen kannst. Das zeigt deinem Team, dass sie das auch dürfen. Und davon profitieren alle! Wissen wird geteilt, Ungereimtheiten werden evtl. aufgedeckt und neue Impulse können gemeinsam gestaltet werden. Wer will das nicht in seinem Team?!
Wissen wird geteilt, Ungereimtheiten werden evtl. aufgedeckt und neue Impulse können gemeinsam gestaltet werden. Wer will das nicht in seinem Team?!
- Reagiere konstruktiv auf Kritik. Wenn wir kritisiert werden, springen unsere unbewussten Muster und alte Glaubenssätze unglaublich schnell an. Halte einen Moment inne und atme tief in den Bauch. (Das signalisiert deinem Nervensystem, dass keine Gefahr besteht.) Trenne die Kritik von deiner Person.
Angelehnt an Viktor E. Frankl: Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum.
Wenn du lernst, in diesem Raum kurz innezuhalten, entsteht ein Handlungsspielraum. Höre deinem Gegenüber zu und frag‘ nach, was genau gemeint ist, wie es aus Sicht der anderen Person besser hätte laufen können und was so schwierig an dem Vorgehen/der Situation war.
Und dann kannst du dich selbst fragen, was du davon annehmen möchtest. War die Kritik (teilweise) sachliche richtig und nachvollziehbar? Wundervoll, dass du sie bekommen hast! Jetzt kannst du entscheiden, was du daraus lernen kannst und verändern möchtest.
Bedanke dich aufrichtig bei der Person, dass sie dir das gesagt hat. Nehme die andere Person in ihrer Sorge ernst und melde das wertschätzend zurück. Melde zurück, was du annehmen kannst, worüber du noch mal nachdenken möchtest und an welchen Stellen du die Sache anders siehst. So bleibst du wertschätzend, selbstverantwortlich und klar in deiner Kommunikation.
Psychologische Sicherheit auf Organisationsebene
Damit eure Unternehmenskultur mehr ist, als ein paar Werte in Stichworten auf der Website.
Unternehmenskultur zeigt sich im Alltag: Wer schreibt Mails an wen und wann? Wird trotz Krankmeldung gearbeitet? Kultur zeigt sich in Entscheidungsprozessen, in dem, was gesagt wird und viel auch in dem, was nicht gesagt wird.
Psychologische Sicherheit und Unternehmenskultur bedingen sich gegenseitig. Sie fördern sich gegenseitig. Das eine kann ohne das andere nicht wachsen.
Organisationen, die psychologische Sicherheit ernst nehmen, schaffen Strukturen, die Vertrauen fördern.
So könnt ihr gezielt die psychologische Sicherheit in eurem Unternehmen fördern:
- Feedbackprozesse werden transparent gestaltet
- Ihr entwickelt eure Führungskräfte gezielt und lasst sie nicht nur managen
- Ihr schafft Räume, in denen Widerspruch nicht nur erlaubt ist, sondern zur Regel gehört.
Fazit
Du bist Teil des Systems. Du hast die Chance der Anfang der Veränderung zu sein!
Psychologische Sicherheit ist kein Zustand, den man einfach so “einführt”. Sie entsteht durch Haltung, Verhalten und Strukturen. Jeden Tag neu. Es ist ein Prozess. Ein Prozess, der vermutlich kein Ende hat, sondern immer weiter beobachtet, analysiert und angepasst werden will.
Du kannst diesen Prozess sofort anfangen. Bei dir selbst. Mit deiner Selbstfürsorge. In den Gesprächen, die du führst. Im nächsten Meeting. Jeder kleine Schritt führt dich und dein Team ein Stück näher an die psychologische Sicherheit heran.
Wenn du neugierig bist, wie du als HR-Profi, Führungskraft oder engagierte*r Mitarbeitende*r deinen Beitrag leisten kannst, begleite ich dich oder dein Team gerne im Coaching oder in einem Workshop.
Schreib mir einfach! Ich freue mich auf Austausch, neugierige Fragen und konstruktives Feedback!

