Erfahre, was hinter dem Begriff steckt und wie du Einfluss nehmen kannst.
Mir hat mal eine Führungskraft gesagt, dass sie im Team ein Problem mit der Harmonie haben. Alle sind einfach zu nett zueinander und sie habe gehört, dass es gut ist, wenn es im Team auch mal kracht.
Ich sagte ihr: Vielleicht habt ihr auch ein Problem mit psychologischer Sicherheit!
Große Augen und ein erstauntes Gesicht schauten mich an.
Wir setzten uns mit dem grade geholten Kaffe in die Sofaecke und ich holte weiter aus:
Hast du schon mal erlebt, dass du an einem Meeting teilgenommen und in deinem Team ein Thema diskutiert wurde, das euch schon lange herausfordert? Dann fällt dir plötzlich eine neue Idee ein! So habt ihr die Sache bisher noch nicht betrachtet und das könnte wieder Bewegung in die Sache bringen.
Aber du sagst nichts.
Mir ging das schon so. Und ich glaube, dass das in vielen Teams jeden Tag passiert. Woran liegt das? Meistens liegt es nicht an mangelndem Wissen oder zu wenig Engagement.
Es fehlt an psychologischer Sicherheit.
Was bedeutet „Psychologische Sicherheit“ überhaupt?
Dieser Begriff wurde durch die amerikanische Professorin Amy Edmundson in den vergangenen Jahren populär und hat seitdem weiter an Bedeutung gewonnen. Edmundson definiert psychologische Sicherheit als ein geteiltes Gefühl im Team, dass man zwischenmenschliche Risiken eingehen kann, ohne dafür bestraft oder bloßgestellt zu werden. In deinen Arbeitsalltag übertragen: Jede*r in deinem Team traut sich (naive) Fragen zu stellen, Fehler zuzugeben, Zweifel zu äußern oder auch unkonventionelle Ideen einzubringen – ohne Angst vor negativen Konsequenzen, genervtem Augenrollen oder Ungeduld anderer Personen.

Und genau das war das Problem in meinem Team damals. Ich wusste, dass meine Führungskraft auf das Thema gereizt reagiert, andere Teammitglieder schon genervt sind und ich habe mich (unbewusst) dazu entschlossen, lieber nichts zu sagen.
Wenn Menschen den Eindruck haben, sie müssen sich schützen, zeigen sie sich nicht. Und dann verliert das Team wertvolle Perspektiven, Ideen und Lernchancen.
Organisationen profitieren auch auf
wirtschaftlicher Ebene!
“Keine Organisation im 21. Jahrhundert kann sich ein Klima der Angst leisten.”
– Amy Edmundson –
Ich gehe mit dem Zitat von Amy Edmundson. Zumindest wünsche ich mir, dass das so ist und durch Unternehmensleitungen erkannt wird!
Studien zeigen immer wieder, dass Teams, in denen sich die Mitglieder psychologisch sicher fühlen, kreativer und innovativer zusammenarbeiten. Die bekannteste Studie ist das „Project Aristoteles“ von Google. Es hat sich gezeigt, dass Teams, in denen psychologische Sicherheit vorhanden ist, besser zusammen arbeiten. Unter anderem ist die Mitarbeiterzufriedenheit ist höher. Zufriedenheit der Mitarbeitenden ist ein Faktor für den Unternehmenserfolg und damit auch für den Bestand am Markt.
Ich habe es nicht ausgerechnet, kann mir aber vorstellen, wieviel es ein Unternehmen kostet, wenn eine Kultur der Angst herrscht. Folge davon sind geringe Motivation der Mitarbeitenden, wenig Innovative Konzepte und eine hohe Fluktuationsrate. Ist es das, was ein CEO will? Ich glaube nicht. Ich glaube aber auch, dass vielen Führungskräften und Unternehmensleitungen nicht bewusst ist, was die Kultur damit zu tun hat oder wie sich das ändern lässt.
Warum wir uns bei der Arbeit nicht sicher fühlen
4 typische Knackpunkte in Organisationen, warum Menschen keine psychologische Sicherheit spüren:
- stark wirkende Hierarchien: Wenn Führungspersonen unantastbar sind und keiner sich traut Kritik zu äußern, dann schweigen Mitarbeitende lieber
- Blame & Shame: Fehler und Nicht-Wissen werden als Schwäche gesehen und nicht als Chance, etwas zu lernen
- Ständige Optimierung und hoher Leistungsdruck: sorgt für Angst und den Eindruck, nicht gut genug zu sein
- verdeckte Teamregeln: In jedem Team gibt es sie! Zum Beispiel “Wer zweimal nachfragt, ist wohl zu dumm, es zu verstehen!” Das wirkt lähmend.
Die gute Nachricht: Wenn es Dinge gibt, die deine Arbeitsumgebung unsicher machen in psychologischer Hinsicht, dann kannst du auch eine positive Veränderung herbeiführen!
So förderst du psychologische Sicherheit in deinem Arbeitsumfeld!
Amy Edmundson hat durch ihre Forschung entscheidende Faktoren herausgearbeitet, von denen psychologische Sicherheit abhängig ist und du sie gezielt aufbauen kannst.

- Jede Stimme ist es wert, gehört zu werden!
Beobachte mal, ob alle in deinem Team einen ungefähr gleichen Redeanteil haben. Vor allem in Meetings lässt sich dies gut steuern. Lasst die Moderation rotieren und fragt gezielt nach Meinungen, Feedback und Kritik! Statt „Hat jemand noch Fragen?“ ist folgender Satz wirkungsvoller: „Welche Risiken übersehen wir gerade?“ oder „Was denkt ihr – wo könnten wir daneben liegen?” Dahinter steckt eine offene und fragende Grundhaltung. - Fehler sind wertvolle Quellen!
Als Führungskraft kannst du damit anfangen, über deine eigenen Fehleinschätzungen und Fehler zu sprechen. Damit signalisierst du, dass auch du als Führungskraft nicht perfekt bist und das auch nicht von deinem Team erwartest.
Pflege eine Team-Kultur, in der Fehler als wichtige Quelle gesehen werden.
Nur so könnt ihr einen neuen Blick auf eure Arbeit werfen und kreative neue Wege finden.
Unabhängig von deiner Rolle in einer Organisation habe ich hier zwei Fragen zur Selbstreflektion für dich: Wie gehst du mit deinen eigenen Fehlern um? Was sind typische Sätze, die du dann zu dir selbst sagst?
- Höre anderen zu. For real.
Wir alle kennen das Thema “aktives Zuhören”. Zugewandte Körperhaltung, Nicken und ab und zu “Mhm… ja…verstehe” sagen. Zur Stärkung der psychologischen Sicherheit zeige wirkliches, echtes Intersse! Stelle Rückfragen, wenn du etwas nicht verstanden hast und zeige Anerkennung. Bleibe mit deiner Aufmerksamkeit ganz bei deinem Gegenüber und dem Gespräch. Keine Mails checken, kein Handy auf dem Tisch.
- Feedbackkultur stärken
Fragt euch im Team so oft es geht nach Feedback! Seid dabei respektvoll und ehrlich in euren Rückmeldungen. Überlege dir vorher, welches Feedback hilfreich ist und die andere Person wachsen lassen. Wenn du auf Phrasen verzichtest und Kritik oder Anerkennung für konkrete Herangehensweisen an eine Aufgabe feedbackst, bringt das dein Gegenüber weiter!
- Teamnormen bewusst gestalten
Legt für euch in eurem Team eigene Regeln fest, wie eure Zusammenarbeit aussehen soll. Macht das so konkret wie möglich! Was versteht jede*r einzelne unter dem Stichwort “respektvoller Umgang” oder auch “gute Zusammenarbeit”? Lasst jede*r zu Wort kommen und fragt, welche Unterstützung individuelle gewünscht ist und als hilfreich empfunden wird. Was wird nicht als hilfreich gesehen?
Fazit
Psychologische Sicherheit ist für mich mehr als nur ein Buzzword. In einer Welt, die immer komplexer, schneller und unsicherer zu werden scheint, brauchen wir in Organisationen Menschen, die mutig denken, offen sprechen, Bestehendes hinterfragen und den Willen haben, gemeinsam zu lernen.
Und dabei geht es nicht um Wattebäusche oder “Only-Good-Vibes”-Wandbilder. Es geht darum, wie gut ein Team wirklich zusammenarbeiten kann. Psychologische Sicherheit sorgt dafür, dass Menschen mitdenken, mitreden und mittragen. Und ohne sie? Bleibt wertvolles Potential auf der Strecke.
Also: Du hast in jeder Rolle in einem Unternehmen die Chance, Räume zu schaffen, in denen Menschen sich zeigen dürfen. Echt, mutig und kreativ. In jedem Meeting. In jeder Unterhaltung.
Wenn du neugierig geworden bist und wissen willst, wie du psychologische Sicherheit in deinem Team konkret fördern kannst, begleite ich dich gern auf diesem Weg mit Workshops oder individuellem Coaching.
Ich habe der Führungskraft nach unserem Gespräch noch einen Artikel von Haufe empfohlen und die 5 Ebenen erklärt, auf denen sie ganz individuell etwas verändern kann.
Lies hier den Beitrag zu den 5 Ebenen, auf denen du individuell und konkret etwas verändern kannst – ganz unabhängig von deiner Rolle in einer Organisation.
Und hier ist noch der Haufe-Artikel zu Aspekten der wissenschaftlichen Evidenz von psychologischer Sicherheit. Hier kannst du den externen Artikel aufrufen!